Die Luft ist
klar und kühl. Ich wickle mich aus meiner Decke. Sie ist völlig durchnäßt, so
wie alles andere an mir und den Wagen und jedem. Ich strecke mich müde und
gähne. Lautstark. Ebenso wie einige andere erwachende Schläfer zu meiner
Rechten und Linken. Ich muß blinzeln bevor ich die Augen öffnen kann, denn es
ist schon hell. Die Sonne steht eine handbreit über dem Horizont wie ich
feststelle, als ich meinen Arm, um vor ihrem Licht zu schützen, vor die Augen
halte.
Ein
weiteres Gähnen kämpft sich ohne mein Zutun den Weg aus meinem Mund, und ich
strecke mich und richte meinen Oberkörper auf. Blicke über das Lager. Die
meisten schlafen noch. Ein paar kämpfen ebenso halbherzig gegen den Schlummer
wie ich. Ich schließe die Augen noch einmal um tief und genüßlich die Luft
einzuatmen. Den würzigen Duft. Die klare Frische. Das belebende Etwas, mit dem
sie nach diesem fürchterlichen Gewitter letzte Nacht geschwängert ist. Ach! Das
tut gut! Keine Spur mehr von jener niederdrückenden Schwüle. Nur reine, klare
Luft.
Ein Zaunkönig
stimmt sein melodisches Lied in dem Busch neben mir an, ebenso hell und klar
wie die Luft, und er begrüßt freudig den neuen Tag. Auch in das Vieh kommt
langsam Leben. Vereinzeltes Blöken und Meckern ist zu vernehmen. Die Rinder
schweigen still. Ob sie noch schlafen? Oder bereits genüßlich weiden? Ich bin
zu müde, um mich umzuwenden und nachzusehen. Mit einem leisen Seufzer werfe ich
die Decke völlig von mir und stehe auf.
„Hmpf!“
Mein linker Fuß landet mitten in einer der zahllosen Pfützen. Ein Überbleibsel
der Gewitternacht. Reflexartig ziehe ich das Bein zurück und schüttle den Fuß
aus wie ein nasser Hund.
Wenn ich
schon gerade von Hunden rede: Da rennt dieser fette Kater haarscharf an mir
vorbei – was weiter nicht schlimm wäre, wenn ihm nicht die ganze Hundemeute auf
dem Fuß folgen würde. Natürlich genau durch die Pfütze neben mir! Naja, egal.
Ich bin ja ohnehin schon naß. Wenigstens haben sie mich nicht wieder umgerannt.
Orgo
schläft noch auf dem Platz neben mir und murmelt dabei unverständliche Worte.
Ob er von Rosi träumt? Ich grinse, erinnere mich dann aber daran, daß ich
eigentlich noch viel zu müde bin, um ihn zu wecken und damit aufzuziehen. Muß
ich mir für später merken.
Während
ich zum Fluß schlurfe gähne ich schon wieder herzhaft und räkele mich. Diesmal
energischer. Das tut gut! So langsam spüre ich wie neue Energie durch meinen
Körper fließt.
Plitsch!
Platsch! Je weiter ich zum Fluß komme, desto zahlreicher sind die Pfützen, weil
Ufer und Wiesen leicht abschüssig sind und hier alles zusammenläuft. Plitsch!
Platsch!
Da ist
die große Bresche, die Fluß und Wagen gestern gerissen haben als... Nein, daran
möchte ich jetzt nicht denken. Es ist alles gut ausgegangen. Nein, jetzt möchte
ich an etwas Schönes denken. Der Morgen hat so herrlich begonnen. Das Wasser
schmeckt wunderbar. Ich trinke mehrere Handvoll davon und wasche mir dann
flüchtig das Gesicht. Wieso weiß ich selbst nicht, denn schließlich bin ich
sowieso schon völlig naß. Aber irgendwie ist es angenehm. Und die Sonne wird
die Kleider bald wieder trocknen.
Hoffentlich
auch die Wagenplanen, denke ich, als ich sehe wie trostlos diese um die
Gestelle hängen. Einige von ihnen sind vom Sturm zerfetzt. Aber das ist nicht
so schlimm. Die Frauen haben ihr Nähzeug mitgenommen und werden sie rasch
flicken und ausbessern können. Wenn nur die Vorräte darunter nicht naß geworden
sind. Einigen schadet es ja nichts. Das Gemüse werden wir trocknen können,
damit es nicht fault. Aber wenn das Mehl Wasser abbekommen hat, ist es
verdorben, überlege ich und lasse meinen Blick weiterwandern.
Da ist
das Gestell mit Lobelias wohlbehüteten Hühnern. Sie liegt gleich daneben und
hat ihren Arm beschützend daraufgelegt. Ein glucksender Laut arbeitet sich meine
Kehle herauf. Nun, jeder hat seine Eigenarten und Schrullen. Irgendwie möchte
ich gar nicht wissen, was die Leute so über mich denken. Das Glucksen wird zu
einem ausgewachsenen Kichern.
Mir fällt
auf, daß der Hahn heute Morgen gar nicht gekräht hat. Vielleicht habe ich es
auch nur nicht gehört, denn er macht einen ganz gesunden Eindruck. Wieder atme
ich die reine Luft ein, an deren Duft ich mich gar nicht sattriechen kann.
Aha!
Jetzt meldet sich die erste Kuh mit einem langgezogenen, trägen Brüllen. Andere
stimmen ein. Dürfte allmählich Zeit zum Melken sein. Und als hätten sie meine
Gedanken gelesen, springen plötzlich überall Leute auf, von denen ich eben noch
dachte, sie schlafen fest, greifen zielsicher einen der herumtrollenden Eimer
und begeben sich zu den ungeduldiger werdenden Milchkühen und –ziegen. Als wäre
es das Selbstverständlichste auf der Welt. Nun, eigentlich ist es das doch
auch. Verwirrt über meine eigenen Gedanken schüttle ich den Kopf. Naja, wenn
man einmal davon absieht, daß in unserem Lager ein heilloses Chaos herrscht und
nichts mehr annähernd so aufgeräumt ist, wie wir es gestern hergerichtet
hatten.
Jetzt
werde ich Orgo wecken. Muß ihn doch fragen, wovon er geträumt hat. Leise
schleiche ich mich heran, rufe ihm ein „Buh!“ ins Ohr und gehe sofort in
Deckung, um der erwarteten Ohrfeige auszuweichen. Eines muß man Orgo lassen: Er
hat großartige Reflexe; sogar im Halbschlaf.
„Mmm-morgen!“
nuschelt er und ich kann es mir natürlich nicht nehmen lassen, sofort frontal
anzugreifen. Der direkte Weg ist oft der einfachste, pflegte mein Vater stets
zu sagen. Außerdem kann Orgo gleich nach dem Aufwachen noch nicht so schnell
denken. Ich grinse boshaft.
„Na, hast
du von Rosi geträumt?“ säusele ich zuckersüß und mit dem Blick eines unschuldigen
Kindes.
Orgo
gähnt einen langgezogenen Vokal aus, der irgendwie nach „Das geht dich gar
nichts an!“ klingt.
„Du hast
im Schlaf geredet!“ kontere ich sofort frech und muß mir das Lachen verkneifen,
als Orgo die Augen aufreißt als wolle ihm jemand ans Leben und mich anstarrt
wie ein lebendig gewordenes Lebkuchenpferd.
Ich gucke
wichtig. Wissend. Das macht ihn nervös. Er wendet sich um und zieht die schwere
Decke von den Beinen.
„Alles
naß!“ mault er, um vom Thema abzulenken. Doch so schnell lasse ich nicht
locker.
„Höchst
interessant!“ nicke ich ernsthaft und beiße mir auf die Zunge... Das hätte ich
nicht tun sollen. Orgo hat es gemerkt und verdreht die Augen. Schnauft
beleidigt aus. Schade. Wieder eine verpaßte Gelegenheit. Vielleicht sollte ich
es ihm gerade auf den Kopf zusagen, anstatt mir Hoffnung zu machen, daß er
endlich von selbst draufkommt – mit ein bißchen Hilfe sozusagen. Oder sollte
ich mich doch besser ganz heraushalten? Ich schüttle energisch den Kopf und
Orgo sieht mich fragend an.
„Dann
kann ich lange warten!“ sage ich zu mir selbst und wende mich ab, um mich nicht
erklären zu müssen.
„Wollen
wir uns unser Frühstück angeln?“ Orgo steht mit ein paar flinken Sprüngen neben
mir und sieht bereits äußerst unternehmungslustig aus. Ich frage mich, wie ein
Mann so schnell munter werden kann. Ich selbst gähne gerade schon wieder,
räkele mich und seufze zufrieden, was Orgo zu einem breiten Grinsen veranlaßt.
Er stülpt
sich den Hut auf den Kopf – dieses seltsame, übergroße Ding, von dem er
behauptet, er habe es von seinem Urahnen geerbt. Von Hamfast, dem Abenteurer.
Nun, alt genug und mitgenommen sieht er wirklich aus. Wahrscheinlich wird er
nur noch von dem Dreck zusammengehalten, der ihn so dick überzieht, daß ich
beim besten Willen nicht sagen kann aus welchem Material er ist. Vielleicht
wäscht Orgo ihn deshalb nie... Ich setze meinen eigenen Filzhut auf, der
dagegen wie ein Kinderspielzeug wirkt und grinse mindestens ebenso breit.
„Von mir
aus gerne, mein Herr!“ Ich mache eine weitausholende Verbeugung, wie wir sie
einmal bei einem Händler gesehen haben. Irgend so eine eigenartige Verrenkung.
Sehr ulkig anzuschauen. Doch weil Orgo gerade zur selben Zeit die gleiche Idee
hat, stoßen wir hart mit den Köpfen zusammen und weil der Boden so glitschig
ist, rutschen wir mit den Füßen nach vorne aus und setzen uns ziemlich unsanft
auf den Körperteil, der zwar genau dazu geschaffen ist, aber eine sanftere
Behandlung bevorzugt.
„Hmpf!“
Von den Hunden verschont und vom besten Freund geschlagen! Ich muß diese
Gedanken laut ausgesprochen haben, denn Orgo bricht in schallendes Gelächter
aus.
„Oh, ist
es nicht noch ein wenig kalt zum Baden?“ erklingt eine glockenklare Stimme
neben uns. Orgo wird auf der Stelle knallrot; verbirgt dies unter der breiten
Hutkrempe. Jetzt bin ich derjenige, der lacht.
„Guten
Morgen, Rosi!“ flöte ich. „Ich würde dir gerne einen Platz anbieten...“
„Nein,
danke!“ kichert sie und winkt mit den Händen ab. „Guten Morgen, Orgonas!“
...hach,
dieser sanfte Ton, dieses leise aufgeregte Vibrieren in der Stimme, der
zaghafte Blick...
Mir hat
sie keinen guten Morgen gewünscht! Demonstrativ verschränke ich die Arme vor
der Brust und ziehe einen Schmollmund. Sinnlos. Keiner von beiden bemerkt es.
Orgo lüftet artig seinen Hut zum Gruße – erstaunlich wie schnell die Röte
verschwunden ist – und Rosi hat ohnehin nur Augen für ihn.
Na
dann... Ich stehe auf und mache Orgo mit einem Räuspern darauf aufmerksam, daß
er sie anstarrt. Er schluckt einen Kloß herunter, wie ich deutlich sehen und
hören kann. „Guten Morgen, Rosilot!“ kommt es dann reichlich verspätet.
Ich
verdrehe die Augen zum Himmel, seufze hilflos. Mal ehrlich: Da möchte man doch
mit dem Hammer dreinschlagen! Doch bevor ich mich daran erinnern kann, daß ich
gar keinen dabei habe, wird Rosis Name gerufen. Es ist ihre Mutter. Die Frau
hat vielleicht ein Talent immer im falschen Moment zu erscheinen! Irgendwie
werde ich das Gefühl nicht los, daß Orgo ihr als Freier für ihre Tochter nicht
wirklich willkommen ist... Nach einem anmutigen Knicks – natürlich zu Orgo und
nicht zu mir – ist das Mädchen auch schon verwunden.
„Angeln?“
Orgonas
sieht ihr geistesabwesend nach.
Lange
halte ich das nicht mehr aus! Ich packe ihn am Arm und ziehe ihn einfach auf
und hinter mir her. Am Ufer angekommen schimpfe ich halblaut vor mich hin.
Hätte mir vorhin schon auffallen können, daß der Fluß noch viel zu unruhig ist.
Trotzdem. Wo wir schonmal hier sind setzen wir uns auf ein nicht überflutetes
Fleckchen Erde und beobachten den Sonnenlauf über den dunklen Wipfeln des
Grünwaldes. Er sieht recht nahe aus. So, als könnte man ihn in einem kurzen
Fußmarsch erreichen. Aber wahrscheinlich täuscht die flache Ebene, die sich
hinter dem breiten Fluß erstreckt.
Während
wir so dasitzen, kommt das Vieh nach und nach zum Saufen. Die Tiere haben das
Unwetter gut überstanden. Vielleicht besser als wir. Auch wenn es in der Nacht einige
Mühe gekostet hat, sie zu beruhigen. Vor allem die Bullen hatten, durch die
hell zuckenden Blitze und das laute Donnergrollen gereizt, beinahe die ganze
Herde zum Durchgehen gebracht. Doch gerade als es kritisch wurde, war das
Gewitter mit einem Mal verstummt, und die Heftigkeit des Regens hatte
nachgelassen.
Verträumt
werfe ich einen faustgroßen Stein ins Wasser und beobachte wie es aufspritzt
und er langsam in der Tiefe verschwindet. Orgo beginnt leise vor sich
hinzusummen und an einem Grashalm zu zupfen.
Ich weiß
nicht wie lange wir so schweigend jeder seinen eigenen Gedanken nachgehangen
haben. Irgendwann kommt Boldegrin von flußabwärts ins Lager gelaufen und
berichtet, daß der fortgespülte Wagen sich nur wenig unterhalb zwischen einigen
hervorragenden Felsen und angeschwemmten Baumstämmen festgeklemmt hat. Das ist
der Wagen, der... nein, daran wollte ich heute doch nicht denken. Er sei so
stark beschädigt, sagt er, daß es wohl wenig Sinn mache, ihn zu bergen. Die
Vorräte darinnen sind alle verloren. Taleras nickt bedächtig und würdevoll.
Manches Mal denke ich, ihn kann rein gar nichts aus der Ruhe bringen.
„Laßt
ihn, wo er ist“, höre ich ihn sagen. „Wir werden die Alten auf die restlichen
Ochsenkarren verteilen. Wir haben mittlerweile genug Platz darauf...“
Ja, weil
ein Gutteil der Lebensmittel schon verbraucht ist. Er sagt es nicht. Ist ja
auch überflüssig, weil es ohnehin jeder weiß. Wird Zeit, daß wir wieder etwas
jagen können und es wäre gut, wenn wir einen Teil der Vorräte für den Übergang
über das Gebirge aufsparen würden. Ob ich ihm das sagen soll? Nein, das weiß er
sicher besser als ich.
Jetzt
beginnen langsam die Aufräumarbeiten und Orgo und ich verlassen unseren Platz,
um mit anzupacken. Der Schaden ist zum Glück geringer als befürchtet. Die
Planen werden wieder zurechtgezogen. Zum Flicken ist später Zeit. Heute ist
nicht mit Regen zu rechnen. Der Himmel ist strahlend blau. Und rein. Wie die
Luft. Einige herumliegende Gegenstände werden eingesammelt. Irgendwie hat sich
einiges über den Frühstücksvorbereitungen von selbst aufgeräumt.
Oh, das
Mehl ist übrigens wie durch ein Wunder trocken geblieben. Gerade als wir Männer
ein bißchen Ordnung geschaffen haben, lockt uns ein verführerischer Duft zu dem
Fleckchen, wo emsige Frauenhände Haferkornfladen gebacken und frische Marmelade
gekocht haben.
Mit
Kennerblick hält Orgo neben mir die Nase in den Wind und schnüffelt
genießerisch. Dann rückt er mit beiden Händen seinen Hut in Kampfstellung,
wirft mir einen herausfordernden Blick zu und strebt mit großen Schritten der
Quelle dieser Wohlgerüche zu. Ich schüttle lachend den Kopf und folge ihm,
verzichte allerdings darauf, irgendwelche Kleidungsstücke zurechtzuziehen und
bemühe mich statt dessen lieber, meinen Freund unauffällig zu jenem Ende der
Anstehenden zu drängen, an dem Rosi die Leckereien verteilt.
Orgo
bemerkt es zu spät und sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an, als ich
vergnügt über das Gelingen meines Planes vor mich hinkichere und die
Handflächen gegeneinander reibe. Wie erwartet bekommt er natürlich kein Wort
des Lobes heraus und so bin ich derjenige, der das Mädchen mit Schmeicheleien
überhäuft. Nun gut. Vielleicht habe ich es ein wenig übertrieben. Rosi bekommt
ganz heiße Ohren und Orgonas nickt nur verschämt, zustimmend. Ich seufze und
zucke die Schultern. Da huscht ein schelmisches Grinsen über das Gesicht meines
schweigsamen Gefährten.
„Also,
auch wenn die Wortwahl ein wenig rüde ist...“ - Hat er ihr gerade zugezwinkert?
- „... wo er recht hat, hat er recht.“ Er schenkt Rosi ein Lächeln, bei dem
selbst die bissige Lobelia dahingeschmolzen wäre. Ich staune ihn überrascht an.
Na also! Geht doch!
Jetzt
müssen wir leider den Platz räumen, da die nächsten von hinten drängeln. Wir
suchen uns ein nettes Plätzchen, an dem wir unser Frühstück genießen können. Es
schmeckt wirklich genauso fabelhaft, wie es riecht! Und weil ich aufgrund des
kleinen Erfolges bei der Essensvergabe so außerordentlich gut gelaunt bin,
verzichte ich fürs Erste auf weitere Sticheleien. Sagte ich bereits, daß heute
ein wundervoller Tag ist?
Nach dem
Mahl läuft alles wieder in geordneten Bahnen. Das Geschirr wird gespült, die
Wagen verladen, die Ochsen eingespannt. Wir haben inzwischen schon soviel Übung
darin, daß dies reibungslos vonstatten geht und jeder weiß, wo sein Platz ist.
Selbst die Kinder packen schon sicher mit an und sind richtig stolz auf die
neuen Aufgaben, die ihnen immer selbständiger überlassen werden.
Dann geht
es weiter. Beim Losfahren gibt es noch ein wenig Probleme, da die Räder der Karren
tief in den Matsch eingesunken sind und zunächst einmal feststecken. Aber nach
dem Sandmeer des gestrigen Tages kann uns das nicht mehr beeindrucken. Als wir
dann erst einmal unterwegs sind, ist die Grasfläche noch unberührter als an
unserem Lagerplatz, und es gibt weniger wassergefüllte Senken. Der Regen konnte
besser ablaufen, und die Sonne hat bereits begonnen, den Boden zu trocknen. Wir
kommen gut voran. Ohne schwülwarme Luft, ohne Staub und ohne Sandlöcher, und
vor allem mit genügend Wasser und Weidegras für das Vieh.
Wir haben
die Ponys wieder den Kindern überlassen, die sich allmählich zu richtig
verwegenen Reitern entwickeln und gehen neben den gleichmäßig dahinrumpelnden
Ochsengespannen her.
Über die nächsten
drei Tage ist nicht viel zu berichten. Unser Weg verläuft stetig südwärts,
immer am Ufer des Großen Flusses entlang. Der Sommer scheint sich mit diesem
letzten Hitzeausbruch endgültig verabschiedet zu haben. Auch wenn die Sonne uns
weiterhin einen wolkenlosen Himmel beschert, so besitzen ihre Strahlen doch
nicht mehr die Intensität wie zuvor, und die Nächte werden merklich kühler.
Am Mittag
des neunten Tages nach unserem Aufbruch aus der Heimat passieren wir jenen
Bach, den wir auf der anderen Seite des Gebirgsausläufers angestrebt hatten,
bevor wir nach Osten abgebogen sind. Am Abend des gleichen Tages erreichen wir
die Waldstraße. Nun, zumindest muß sie das sein, wenn nicht alle die Lenker der
Wagengespanne, deren Spuren einen gut sichtbaren Pfad ausgefahren haben, noch
schlechtere Kartenleser sind als wir.
Dieser
Straße werden wir nach Westen folgen. Danach geht unser Weg hinauf ins Gebirge.
Ich erschaudere, als ich in der Ferne undeutlich die hohen, langgestreckten
Felsmassen erblicke. Doch als ich mich umwende, erscheinen sie mir mit einem
Mal freundlich und einladend.
Der Große
Fluß ist hier sehr breit aber flach. Nach dem heißen Sommer führt er trotz
jenes Unwetters vor drei Tagen so wenig Wasser, daß man, hüpft man von Stein zu
Stein, trockenen Fußes hinübergelangen kann. Gleich dahinter schließt der
Grünwald an. Seine äußersten Bäume strecken ihre Zweige weit über das Ufer.
Unbehaglich
ziehe ich den Kragen meiner Jacke dichter um den Hals. Es wäre mir lieber, wenn
wir nicht ausgerechnet hier nächtigen würden. Hier im Schatten des Waldes.
zurück zu Kapitel
4 weiter zu Kapitel 6