Celeborn sog die Luft mit einem leisen, pfeifenden
Geräusch ein. Sonst verriet nichts an seiner stolzen Haltung, daß er den Wunsch
seiner Gattin aufs Äußerste mißbilligte.
„Ich flehe dich an. Dieses eine Mal!“ Sie trat mit bittend
geöffneten Händen auf ihn zu. „Dieses eine Mal nur vergiß für einen Moment
deinen Groll!“
Celeborn verschränkte die Arme vor der Brust. Sein
Rücken spannte sich abweisend. Beides sichere Zeichen dafür, daß er seine
Meinung nicht ändern und seine Worte nicht zurücknehmen würde. „Niemals werde
ich Angehörige dieses Volkes unter meinem Dach dulden!“
Galadriel seufzte und ließ sich wieder an dem Tisch
nieder. Wenn nicht im Palast, wo sonst sollte sie die Gesandten Dúrins
empfangen? Und hatte er nicht sogar selber kommen wollen? Die gute Sitte würde
dann verlangen, daß Celeborn ebenfalls an dieser Beratung teilnahm, doch diesen
Gedanken schlug sie sich sofort aus dem Kopf.
Sachte strichen ihre Finger über den Spitzensaum
des Tischtuches. Sie konnte ihn gut verstehen. Immerhin waren es die Zwerge
gewesen, die seinen Großonkel ermordet hatten und verantwortlich waren für den
Untergang seines Reiches, auch wenn dies damals nur das Heer von Nogrod gewesen
war, das bald darauf vernichtend geschlagen wurde. Wieder seufzte Galadriel. Es
hatte keinen Sinn, diesen Diskussionsfaden wieder aufzurollen.
Celeborn war hinter sie getreten und legte die
Hände auf ihre Schultern. „Es hängt sehr viel von dieser Beratung ab, nicht
wahr?“ fragte er sanft.
Sie nickte.
Er fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. „Du
erwartest doch nicht, daß ich daran teilnehme?“
Galadriel legte die Stirn in nachdenkliche Falten.
Hatte er ihre Gedanken erraten? Manchmal hatte sie das Gefühl er könne ihr
direkt ins Herz blicken, obwohl doch eigentlich sie diejenige von ihnen war,
die diese Gabe – oder war es ein Fluch? – beherrschte. Was dachte er gerade? Zu
gerne hätte sie es erfahren, aber er verschloß sein Herz vor ihr.
„Dúrin wird selbst kommen...“, sagte sich
ausweichend.
Celeborn ließ ihr goldenes Haar langsam durch seine
Hände gleiten. Dann setzte er sich neben sie. Galadriel betrachtete ihn
bewundernd aus den Augenwinkeln. Seine stolze Haltung, seine anmutigen
Bewegungen, die formvollendete Gelassenheit mit der er seine Tunika mit einer
leichten Handbewegung zurechtstrich, sein ruhiger Blick, diese vollkommene
Selbstbeherrschung, die nicht erkennen ließ, wie sehr er in seinem Inneren mit
sich kämpfte. Sie mußte sich wieder einmal eingestehen, daß er ihr darin
überlegen war. Sie selbst besaß das stürmische Temperament ihrer Familie, zu
der auch Feanor gehörte, der seinen Namen „Feuerherz“ mit voller Berechtigung
getragen hatte.
Aufmerksam betrachtete Celeborn die Reste ihrer
Mahlzeit, die soeben von einigen dienstbereiten Elben abgeräumt wurden. Sein
Blick blieb schließlich an dem Kandelaber auf dem Tisch hängen und studierte
die markanten Verzierungen des silbern glänzenden Metalles. Zwergenarbeit. Er
runzelte unwillig die Stirn und wartete darauf, daß Galadriel nun ihre Überredungskunst
an ihm erproben würde. Sie war eine kluge Frau, und nur selten gelang es
jemandem auf Dauer, sich ihren Argumenten zu widersetzen. Außer seinem
Dickschädel vielleicht, denn im Grunde seines Herzen wußte er, daß Galadriel
recht hatte mit dem, was sie tat, und ihre Bemühungen Elben und Zwerge zu einen
nicht nur klug, sondern notwendig waren.
Er atmete tief durch und stand auf. Stolz legte er
den Kopf ein wenig in den Nacken und sah seine Gattin mit unbewegter Miene von
oben herab an. „Ich will keinen dieser Erdwühler unter meinem Dach haben. Das
ist mein letztes Wort!“ sagte er streng und wandte sich zur Tür. Dort
angekommen drehte er sich noch einmal um und blickte nachdenklich zur Decke.
„Nur ein Zwerg könnte auf die Idee kommen, sich bei
diesem schönen Sommerwetter hinter Mauern zu verkriechen“, sagte er mit einem
undefinierbaren Lächeln um die Lippen. „Du solltest die Gartenlaube nutzen.
Schließlich haben wir sie für solche Sonnentage, wie es der morgige sein wird,
erbauen lassen.“ Er sah seiner Gattin liebevoll in die Augen und wandte sich
wieder der Tür zu, blieb aber noch einmal stehen, als ob er seine gute
Erziehung vergessen hätte und sich erst jetzt wieder daran erinnerte.
„Du entschuldigst mich?“ Er machte eine leichte
Verbeugung. „Ich muß noch packen. Dringende auswärtige Angelegenheiten, du
weißt schon.“ Er verließ den Saal.
Galadriel blickte ihm stumm nach, aber ihre Augen
leuchteten vor Liebe und Stolz.