Ungeduldige
Patienten waren ihm nicht fremd und den Umgang mit besorgten Angehörigen oder Geliebten
hatte er früh gelernt. Dennoch war dieser Fall für den erfahrenen Heiler eine
neuartige Herausforderung.
Beide
Männer waren in einem schlechten Zustand gewesen, als die Elbenkrieger sie auf
einer Bahre hereingetragen hatten, aber bereits am Morgen des nächsten Tages
war der eine aus seinem komatösen Zustand erwacht und wollte sich unbedingt mit
eigenen Augen von der Genesung des Freundes überzeugen.
Elrond
hatte seine ganze Strenge aufgewendet und schließlich sogar einen Wächter an
sein Lager gestellt, um zu verhindern, daß er sich heimlich fortschlich. Dem
Drang ihn ans Bett zu fesseln, hatte der Fürst nur mit äußerster Anstrengung
widerstanden.
Den
selben Nachdruck hatte er anwenden müssen, damit das junge Mädchen, das sie
begleitet hatte, sich nicht unnötig in seiner Fürsorglichkeit aufrieb. Die
Valar wußten, wie lange das arme Geschöpf sich schon keinen ausreichenden
Schlaf mehr gegönnt hatte.
Den
dritten von Ihnen hatte Elrond aufgeben wollen als er erfahren hatte, wie lange
das Gift schon in seinem Körper wütete. Doch zu seiner Verwunderung stellte er
fest, daß der kleine Mann eine geradezu unheimliche Zähigkeit besaß, die weit
über die Heilkraft der gondorianischen Tinktur hinaus reichte, und die
irgendwie zu der quirligen Sturheit seiner Landsleute paßte.
Elrond
lächelte gutmütig. Vor ihm standen die drei kleinen Leute, hatten ihre Bündel
geschnürt und waren, wenn auch noch ein wenig blaß, bereits voller Tatendrang
und bereit zum Aufbruch. Abwartende Stille herrschte im Raum und sie wagten es
nicht, als erste das Wort zu ergreifen.
Da
ertönte ein unzufriedenes Meckern vom Gang herein und die schwere, aber nur
angelehnte Eichentür wurde energisch aufgestoßen. Hinter dem munter
hereinspringenden Zicklein erschien mit schuldbewußtem Gesichtsausdruck ein
Elb. Noch bevor er zu einer Erklärung anheben konnte, entließ Elrond ihn mit
einer verstehenden Handbewegung. Wenigstens hatte er das Pony diesmal davon
abhalten können, ihm zu folgen. Das kleine, weiße Geschöpf stürmte ohne Zögern
auf Rosilot zu und vergrub das Köpfchen in ihrem weiten Rock. Das Mädchen ging
in die Hocke, umarmte es zärtlich und sprach liebkosend auf es ein. Elronds
Lächeln vertiefte sich.
„So ist
denn der Zeitpunkt des Abschiedes gekommen, da ihr mein Angebot, länger Zuflucht
und Erholung zu finden, durchaus nicht annehmen wollt. Aber ich verstehe, daß
eure Herzen euch zu eurem Volk rufen.“ Er breitete die Arme in einer
umfassenden Geste aus. „So gehet denn und möge der Segen der Valar euch
begleiten.“
Orgonas
lüftete artig seinen überdimensionalen Hut, schwenkte ihn großspurig durch die
Luft und drehte ihn sodann an der breiten Krempe entlang in seinen Händen.
„Habt vielen Dank, Herr Elrond, für Eure und Eurer Krieger Hilfe. Ich denke ich
spreche im Namen aller wenn ich sage: Solltet Ihr jemals der Unterstützung
unseres Volkes bedürfen, so werden wir uns glücklich schätzen, sie Euch zu
gewähren.“
Elrond
senkte dankbar das Haupt und lenkte seine Aufmerksamkeit auf den dritten im
Bunde. In seiner bescheidenen Art hatte Fredoc bisher kein Wort gesprochen.
Jetzt jedoch erhob er ein wenig schüchtern die Stimme, um sich in gebührendem
Respekt von dem Elbenfürsten zu verabschieden. Als sie sich zum Gehen wandten,
arrangierte er unauffällig, daß Orgonas neben Rosilot plaziert wurde und sah so
glücklich dabei aus, als die beiden sich scheu an den Händen faßten, daß Elrond
nicht anders konnte, als den stillen Mann in sein Herz zu schließen.
Sinnend
sah er ihnen nach, als sie mit flinken Schritten auf die Tür zutrippelten, legte
den Kopf schief und die Stirn in Falten. Dieses Bild war ihm vertraut, auch
wenn die Örtlichkeiten und Personen andere gewesen waren *. Schon damals hatte
ihm eine Frage auf der Seele gebrannt, aber es wäre gegen die höfische Etikette
gewesen, sie zu stellen.
Elrond
blies amüsiert die Luft durch die Nase. Er war kein junger Elb mehr, darauf
bedacht, nicht ungeduldig zu erscheinen. Er war auch nicht mehr der Berater des
Hohen Königs. Hier war er selbst der Herr und er stand in dem Ruf, eine
geradezu ehrfurchtgebietende Geduld und nervenzerreißende Selbstbeherrschung zu
besitzen. Er konnte es sich leisten, einmal neugierig zu sein.
Als
Orgonas die Hand erhob, um nach der Türklinke zu greifen, rief er den kleinen
Mann noch einmal zurück: „Herr Orgonas?“
Zwei
ehrliche, blaue Augen richteten sich auf den Elbenfürsten. „Ja, Herr Elrond?“
„Verzeiht,
wenn ich unhöflich erscheine, aber...“ Er zögerte und überlegte einen Moment,
wie er es am besten ausdrücken sollte. Unbewußt suchte seine Augenbraue dabei
ihren Weg in Richtung Haaransatz. „Welchem Volk der Menschen gehört Ihr an?“
„Menschen?“
Orgonas lachte leutselig. „Gar keinem, Herr Elrond. Wir sind Hobbits!“ Mit
diesen Worten verschwanden sie durch die Tür und ließen einen nachdenklichen
Herrscher in Bruchtal zurück.
ENDE
(Inspiriert
zu dieser Geschichte wurde ich durch den Filmklassiker „Westward the Women“.
Daraus habe ich mir dann auch nicht nur viele Anregungen geholt, sondern - weil
ich grad so schön dabei war - auch ein paar Ideen geklaut.)
* siehe
“Hamfast Gerstenbräu”
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