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Zur gleichen Zeit in Ost-in-Edhil saßen Celeborn und Galadriel ebenfalls im Garten und sie berichtete ihm von den Verhandlungen mit Dúrins Gesandten. Dieser selbst hatte sich entschuldigen lassen. Ihn quälte eine schwere Erkältung und er nieste ganz fürchterlich. Galadriel hatte es einige Mühe gekostet, sich ihre Erleichterung darüber nicht anmerken zu lassen, war die Abwesenheit ihres Gatten doch nun nicht mehr von Belang.

 

Die Unterredung war zufriedenstellend verlaufen, wie sie ihm mit einem fröhlichen Lächeln berichtete, wenn die Zwerge auch etwas irritiert darüber gewesen waren, daß man sie in einer Gartenlaube und nicht im Palast empfangen hatte. Es war ihr leicht gelungen sie von der wesentlich angenehmeren Atmosphäre zu überzeugen. Galadriel lachte leise und legte ihre Hand sanft auf die Celeborns.

 

Plötzlich zuckte sie leicht zusammen, als sie Gil-galads Stimme vernahm. Den fragenden Blick ihres Gemahls ignorierend, stand sie auf und trat aus der Laube hinaus auf die Wiese.

 

Celeborn lehnte sich zurück und wartete ruhig, bis sie ihr Gespräch beendet hatten. Seine Augen glitten über den herrlich angelegten Garten. Zwischen dem Schilf des klaren Weihers surrten ein paar Libellen. Ihre zarten Flügel schimmerten in allen Farben des Himmelsbogens. Vogelgezwitscher erfüllte die Luft und die Rosenranken, die an der Westseite der Laube entlang wuchsen, versandten einen lieblichen Duft.

 

Als Galadriel wieder zu ihm in die Laube trat, hatte sich eine fahle Blässe über ihr Gesicht ausgebreitet. Mühsam ihre Haltung wahrend, ließ sie sich langsam an seiner Seite nieder. Celeborn zog die Augenbrauen in böser Vorahnung nach oben und betrachtete sie forschend. „Was ist geschehen?“

 

„Ich muß nach Lórinand reisen. Jetzt. Sofort“, sagte sie geistesabwesend. Ohne daß sie es bemerkte, begannen ihre Hände mit dem Blütenblatt einer Rose zu spielen, das ein sanfter Windhauch auf den Tisch geweht hatte.

 

Geduldig wartete Celeborn auf ihre Erklärung. Doch diese ließ lange auf sich warten. Schweigend saßen sie nebeneinander. Keiner von beiden regte sich, selbst dann nicht, als ein Dienstbote kam und meldete, daß das Mittagsmahl bereitet wäre. Tief in Gedanken versunken bemerkten sie ihn nicht und er zog sich unsicher wieder zurück.

 

„Es sind Umstände eingetreten, die es erforderlich machen, sofort Kontakt zu den Nandor östlich des Nebelgebirges aufzunehmen“, sagte Galadriel endlich. Ausführlich berichtete sie ihm nun, was sie von Gil-galad erfahren hatte.

 

Celeborn atmete tief durch und nickte langsam. „Dann wird einer von uns die Angelegenheiten, deretwegen wir erst später dorthin aufbrechen wollten, alleine übernehmen müssen“, sagte er tonlos. „Ich möchte, daß du dies übernimmst. Ich werde heute noch abreisen.“

 

Galadriel lachte trotz der schlimmen Nachricht amüsiert auf. Ihre Augen blitzten unternehmungslustig. „Das solltest du lieber bleiben lassen, mein Geliebter. Wir kennen beide dein Talent einen fürchterlichen ersten Eindruck zu hinterlassen“, neckte sie ihn. „Außerdem müßtest du deine strengen Vorsätze übertreten und deinen jahrhundertelangen tiefen Groll gegen die Kinder Belegols * innerhalb weniger Stunden überwinden. Wir haben keine Zeit. Derjenige von uns, der gehen wird, muß den Weg durch die Minen nehmen.“ Sie hielt inne. Sie wußte, daß eine Diskussion darüber, ob Celeborn bereit wäre die Zwergenstätte zu betreten oder nicht, sich erübrigte.

 

„Du willst allen Ernstes durch dieses Moria gehen?“ Celeborns Stirn furchte sich.

 

„Du sollst sie nicht immer ‚Moria’ nennen“, tadelte Galadriel ihn liebevoll und zupfte ihn spielerisch an einer seiner silbernen Strähnen. „Unser Volk beginnt schon, sich darüber lustig zu machen.“

 

Ärgerlich schnaubte Celeborn aus. „Moria oder Hadhodrond. Nenne sie, wie du willst. Eine schwarze Kluft bleibt es dennoch!“

 

Galadriel lachte glockenhell bei dieser offensichtlichen Unmutsäußerung ihres Gemahls. Es kam selten vor, daß er seine Beherrschung verlor. Und sie kannte ihn gut genug um zu wissen, daß er jetzt damit nur seine Angst überspielen wollte.

 

Es war Celeborn keineswegs wohl bei dem Gedanken, seine geliebte Gattin allein durch die unterirdischen Gänge in ein Land reisen zu lassen, in dem er den Feind wußte. Aber er war auch einsichtig genug zu erkennen, daß dies notwendig war, denn sie hatte recht, sie war nun einmal der Diplomatischere von ihnen beiden und zusammen konnten sie nicht reisen. Ihre Aufgaben in Eriador waren einfach zu wichtig, als daß sie sie hätten verschieben können.

 

Dennoch schüttelte er abwehrend den Kopf. „Ich kann dich nicht alleine dorthin gehen lassen!“ Die Hand auf seinem Schoß ballte sich zur Faust. Er drückte sie so fest zusammen, daß das Weiße der Knöchel hervortrat.

 

Galadriel streichelte sachte seinen Arm. „Ich werde nicht alleine gehen“, sagte sie ruhig und bestimmt und wieder funkelte es unternehmungslustig in ihren Augen. „Obschon du weißt, daß ich sehr gut auf mich selbst aufpassen kann. Nicht umsonst nannte man mich einst ‚Nerwen’.“ Sie schmunzelte in Erinnerung an ihre erste Begegnung. Auch wenn sie diesen Namen vor langer Zeit abgelegt hatte, so wußte sie noch recht gut mit einem Schwert umzugehen.

 

„Doch werde ich eine größere Anzahl unserer Leute mitnehmen. So viele du entbehren kannst. Hab keine Furcht. Noch ist er nicht mächtig genug, uns ernsthaft zu schaden. Die Zeit mag zwar kommen, aber jetzt ist er nur der heimatlose Diener eines gestürzten und verbannten Herrn.“ Ihr Blick schweifte in die Ferne, als ob sie in die Zukunft sehen würde.

 

Wieder herrschte lange Zeit lautloses Schweigen. Selbst die Vögel auf dem Kirschbaum waren verstummt und die Libellen über dem Teich hatten zwischen dem schattigen Schilf Zuflucht vor den heißen Strahlen der Spät-Sommersonne gesucht. Celeborn fuhr zärtlich mit der Hand über ihr Haar. Sein Blick sagte ihr, wie sehr er sie liebte. „Gib auf dich acht, ja?“

 

Sie nickte stumm und schluckte ihre Beklemmung hinunter. Dann schlug sie ihre vollen Wimpern zu ihm auf. „Das werde ich.“ sagte sie gutgelaunt und hauchte ihm einen Kuß auf die Wange.

 

Am gleichen Tag verließ sie mit einer ansehnlichen Eskorte Ost-in-Edhil.

 

~*~

 

Narvi tobte. Dieses dämliche Langohr Celebrimbor! Und das nur, weil er ihm vor einiger Zeit eine metall- und schwefelhaltige Mischung in das Mittel gegeben hatte, mit dem der Elb sich die Haare zu waschen pflegte, welche daraufhin mehrere Tage lang im schönsten Rostrot geleuchtet hatten. Was für ein harmloser Scherz! Und jetzt hatte dieser dumme Kerl doch tatsächlich ‚Moria’ statt ‚Hadhodrond’ auf das schöne neue Westtor geschrieben! Und er weigerte sich, das wieder zu ändern! Schlimmer noch: Dúrin schien sogar Gefallen an diesem Namen zu finden, weil er für die ungelenke Zunge der Zwerge weit einfacher auszusprechen war, als das eigentliche elbische Wort für Khazad-dûm! Wütend vor sich hinbrummend stapfte der Zwerg durch die unterirdische Stadt.

 

 

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*die Zwerge