---

 

 

Was Celthor mit seinen halbherzigen Versuchen nicht geschafft hatte, gelang Galvorn mit einem geschickten taktischen Manöver. Ich versuchte mich zu erinnern, wie ich eigentlich in diese Situation gekommen war. Ich hatte Galvorn meine Hilfe angeboten, soviel wußte ich noch. Irgendwie hatte er es dann fertig gebracht, unsere Unterhaltung so zu lenken, daß ich am Ende selbst diese Idee hatte – oder sie zumindest für meine eigene hielt. Für eine Weile...

 

Resigniert packte ich die volle Windel mit spitzen Fingern und beförderte sie in die Waschschüssel. In Mittelerde gab es nämlich keine Pampers. Nein, diese schmierigen, stinkenden Dinger mußte man waschen. Und zwar von Hand!

 

„Das machst du sehr gut“, kommentierte mein holder Zukünftiger meine Bemühungen mit unüberhörbarem Schalk. „Zieh den Stoff um den Bauch herum nur ein wenig fester, sonst löst er sich beim ersten Strampeln.“

 

„Das macht dir Spaß, oder?“ grummelte ich, tat aber wie mir geheißen. Das kleine Mädchen gluckste lustig und streckte die Händchen nach mir aus. „Mich aufziehen, meine ich“, ergänzte ich meine Frage als keine Antwort kam. Konzentriert klemmte ich die Zunge zwischen die Zähne und bemühte mich, das Ende des Tuches zu befestigen, ohne daß mir dabei alles wieder entglitt.

 

Es war eigentlich eine lachhafte Situation. Da ließ ich mir als Frau von einem Mann erklären, wie man Babys wickelt! Zählt man noch hinzu, daß dieser Mann einmal mein Gemahl und der Vater meiner Kinder werden sollte... Ich schluckte und augenblicklich schoß mir die Schamesröte ins Gesicht.

 

„Darf ich dich daran erinnern, daß du es warst, die sich unbedingt nützlich machen wollte?“ neckte er zärtlich. Er war dicht hinter mich getreten und als er belustigt über mein Ungeschick die Luft ausblies, streichelte sein warmer Atem über meine Haare.

 

Mir wurde leicht schwindlig und ich spürte das dringende Verlangen, mich an ihn zu lehnen. So fest hatte ich mir vorgenommen, mich nicht durch Erus Willen beeinflussen zu lassen – aber die Valar wußten wie machtlos ich gegen den Charme dieses Mannes war!

 

Dabei hatte er rein gar nichts getan, um irgendwelche romantischen Hoffnungen in mir zu wecken. In den ersten Tagen meiner Krankheit hatte ich kaum ein paar Worte mit ihm gewechselt, weil ich einfach zu schwach dazu gewesen war und die meiste Zeit geschlafen hatte. Auch später bestand unsere Unterhaltung selten aus mehr als ein paar kurzen Sätzen und nie hatte er mich anders behandelt als ein Heiler seine Patientin.

 

Dennoch hatte ich das Gefühl, daß da irgend etwas war, eine Gemeinsamkeit, die ich nicht beschreiben konnte. Mir war, als kenne ich ihn schon viel länger und ahnte oftmals schon im voraus, wie er reagieren oder was er sagen würde.

 

Um es anders auszudrücken: So wenig ich es mir auch eingestehen wollte, ich war ihm längst hoffnungslos verfallen!

 

Mein Angebeteter hingegen, zeigte leider überhaupt keine Anzeichen eines zuschlagenden Schicksals.

 

Um Gleichmut ringend schloß ich die Augen, atmete energisch durch und konzentrierte mich auf meine Aufgabe. Das Mädchen war jetzt ordnungsgemäß gewickelt und ich trug es zurück in sein Bettchen. Es spielte noch eine Weile mit meinen herunterhängenden Haaren – was soviel heißt wie: es zog so kräftig daran, daß ich mit dem Kopf beinahe gegen das Bettgitter schlug – und schlief wenig später ein.

 

Ich betrachtete es lächelnd und fuhr ihm sachte mit der Hand über das Köpfchen. Kleine Elben waren so pflegeleicht. Sie schrieen nicht ständig grundlos und gaben nur mit ihren glockenklaren Stimmchen Laut, wenn sie Hunger oder in die Windeln gemacht hatten – behauptete wenigstens Galvorn.

 

„Du wirst bestimmt einmal eine großartige Mutter.“

„Ha-ha!“ Ich boxte ihm in die Seite, um meine Verlegenheit zu verbergen und wandte vorsichtshalber den Blick ab. „Du kannst jetzt wieder raus zu den Kindern gehen. Ich schaff das hier schon.“ Ich nickte bekräftigend zu den übrigen Bettchen, von denen je zwei an jeder Seite des Raumes standen.

 

„Es sei denn sie fangen alle zur selben Zeit zu schreien an!“ lachte Galvorn.

Ich griff ein schmutziges Handtuch und warf es nach ihm. Er wich geschickt aus und grinste frech. „Daneben.“

„Mach endlich, daß du raus kommst!“ schimpfte ich gespielt empört.

 

Lachend verschwand er aus dem Zimmer, steckte aber sogleich seinen Kopf wieder herein. „Versuche bitte nicht sie alle gleichzeitig zu wickeln!“

Diesmal traf ein Stück Seife nur die hastig zugezogene Tür. Auch dieser Wurf wurde mit einem amüsierten Lachen quittiert, das bereits ein wenig den Gang hinunter verklang.

 

Ich schmunzelte glücklich, schüttelte vergnügt den Kopf, krempelte die Ärmel hoch und widmete mich gut gelaunt dem gefüllten, stark riechenden Etwas in der Waschschüssel.

 

Hm. Mal sehen. Wie um alles in Mittelerde reinigt man eine Windel? So schwer dürfte das doch nicht sein, oder? Erst einmal muß man natürlich den Hauptdreck abschaben – wie kann so ein kleines Wesen nur solch einen Haufen hinterlassen? – und dann den Rest auswaschen. Ob ich das vorher erst trocknen lassen soll, damit es besser abbröselt?

 

Aber schließlich... Was kann man beim Windelwaschen schon großartig falsch machen? sagte ich mir. Ich, die dafür bekannt war, alles erst einmal am verkehrten Ende anzupacken. Doch obwohl ich mir die Zeit nahm, ausführlich in mich zu gehen, konnte ich nichts entdecken, was der Lösung dieser Aufgabe im Wege stand.

 

Ich verließ kurz das Zimmer, um in den Waschräumlichkeiten gleich nebenan einen Eimer Wasser zu besorgen. Dafür benötigte ich kaum zwei Minuten. Die Elblein schliefen ruhig und ein forschender Rundumblick ergab, daß alles in schönster Ordnung war.

 

So, das Wasser war da. Eine Waschschüssel ebenfalls. Auf einem Ablagebrett fand ich ein Behältnis mit einer gelblich-grünen Kräuterpaste. Ich roch kurz daran und beschloß, diese statt der noch immer am Boden liegenden Seife zu verwenden. Jetzt stand der Aktion Windelwaschen eigentlich nichts mehr im Wege, oder?

 

Nunja, außer man hat das Pech, daß man nichts zum Schaben findet und das Zeug so feste klebt, daß man es nicht herausstülpen kann. Also nimmt man in Ermangelung eines geeigneten Werkzeugs die eigenen Finger. Das ist zwar eklig, klappt aber ganz gut. Zu dumm nur, wenn ausgerechnet dann eines der Babys zu schreien beginnt! Da hilft es auch nicht, in der Hast die Schüssel umzustoßen und sich selbst und das Zimmer unter Wasser zu setzen!

Kurz: Keine fünf Minuten nachdem Galvorn gegangen war, herrschte das perfekte Chaos!

 

Von dem ersten Schreier angesteckt, stimmten nach und nach auch die anderen in das Geplärre mit ein. Sagte Galvorn nicht, kleine Elben wären pflegeleicht? Von den süßen Stimmchen konnte ich auch nicht viel erkennen. Lag wohl an meinen menschlichen Ohren...

 

Nun stand ich also da. Von der Hüfte abwärts naß wie ein begossener Pudel, beide Hände schmutzig und kein Wasser mehr in der Schüssel, in dem ich sie hätte reinigen können.

„Ssschht! Ganz ruhig!“ säuselte ich so gelassen es meine Frustration zuließ und blickte mich nach dem Handtuch von vorhin um.

„Ist ja gut, ich komme gleich!“ Das klang schon ein wenig gereizter.

 

Mußte dieser blöde Lappen aber auch ausgerechnet unter eines der Bettchen gerutscht sein? Mit einer unterdrückten Verwünschung ließ ich mich auf alle Viere nieder und krabbelte ihm nach.

 

„Elanor?“ rief jemand und ich schlug heftig mit dem Hinterkopf gegen die Unterseite des Bettchens, als ich vor Schreck aufruckte. „AUTSCH!“ fluchte ich dabei erbost.

„Was machst du denn da?“ Galvorn bemühte sich nicht einmal, seine Belustigung zu verbergen.

„Wonach sieht es denn aus?“ schnappte ich böse und rutschte im Rückwärtsgang unter dem Möbelstück hervor.

 

„Du wolltest den Boden wischen?“

„Ich...! Du...!“ Ich rang empört nach Luft. „Wo kommst du eigentlich her?“

„Ich dachte, du könntest Hilfe gebrauchen.“

 

Sein Blick wanderte über meine Jammergestalt. „Ja.“

„Ja was?“

„Du kannst Hilfe gebrauchen!“

Ich quietschte unglücklich. Das durfte doch einfach nicht wahr sein!

„Wo... wo sind die Kinder?“ fragte ich kleinlaut. Ein verzweifelter Ablenkungsversuch.

 

„Keine Sorge, ich kann sie von hier aus hören.“ Er deutete mit der Hand zur ebenerdigen Fensteröffnung, vor der sich die große Lichtung befand. Jetzt verstand ich auch, wieso er so schnell hatte hier sein können. Dieses laute Geplärre konnte einem Elbenohr gar nicht entgehen. Vermutlich sollte ich gar noch froh sein, daß Galvorn und nicht etwa einer der hohen Herrschaften mich in diesem erbärmlichen Zustand überrascht hatte. Ich schniefte. Jetzt kamen mir die Tränen und ich konnte sie nicht einmal wegwischen, weil das Handtuch noch immer unter dem Bettchen lag.

 

Galvorn hatte sich längst von mir abgewandt. Zielsicher griff er sich den Urheber des Geschreis, den einzigen, der wirklich einen Grund dafür hatte. Den andern sang er ein elbisches Wiegenlied, woraufhin sie sogleich verstummten.

 

Auch ich blickte von meinem Elend auf und lauschte verzaubert. Galvorn besaß einen wunderschönen, sanften Tenor. Natürlich. Alle Elben sangen herrlich. Aber wer konnte es mir verübeln, wenn ich die hervorragenden Eigenschaften der Erstgeborenen bei diesem Elben durch die rosarote Brille sah?! Ich schmolz augenblicklich dahin und vergaß all meinen Kummer.

 

„Du solltest dich umkleiden.“

Wie?

Ich blinzelte ein paarmal. Es war, als wäre ich einfach im Stehen eingeschlafen.

„Das Wiegenlied war für die Kleinen gedacht, nicht für dich“, witzelte Galvorn. „Nun geh schon. Ich räum hier in der Zwischenzeit auf.“

 

„Ich... ich hab nichts anderes anzuziehen...“

„Oh?“

Ich schrumpfte unter seinem forschenden Blick. Die eingetrockneten Tränen brannten auf meinen Wangen.

 

„In der Truhe in deinem Zimmer wirst du etwas finden.“ Die Heiterkeit war aus seiner Stimme gewichen und hatte einer Fürsorglichkeit Platz gemacht, die mich noch mehr in Verlegenheit brachte. „Nun geh schon!“ drängte er mich.

 

„Ich hab alles falsch gemacht, nicht wahr?“ Undamenhaft zog ich die Nase hoch. Ich hatte ja aber auch keine Hand zum Schneuzen frei.

 

„Sagen wir... – ja, hast du.“

„Hab ich?“ Hätte er nicht wenigstens anstandshalber verneinen können? Schmollend schürzte ich die Lippen.

 

Galvorn grinste frech. Nein, eher unverschämt. Er hielt mir eine saubere Windel hin, an der ich meine Hände grob abwischen konnte. „Und jetzt mach endlich, daß du hier raus kommst. Ich weiß nicht wie deine Nase darüber denkt, aber meine empfindet diesen strengen Geruch als eine Folter!“

 

Ich streckte ihm kindisch und noch nicht vollständig versöhnt die Zunge heraus und lief hinaus.

 

Unterwegs zu meinem Zimmer mußte ich am hochherrschaftlichen Trakt vorbei. Bevor ich in den Hauptgang einbog, hielt ich an und spähte um die Ecke. Es galt ungefähr dreißig Meter Raum ohne die geringste Deckung zu überwinden, ehe ich nach links in den Gästebereich einbiegen konnte.

 

Nicht auszudenken, wenn ich dabei von einem Angehörigen der Oberschicht in meinem triefenden Outfit gesichtet würde! Ich sah sie direkt vor mir, wie herablassend und angewidert sie mich auf meiner ersten Irrwanderung durch die endlosen Gänge des Höhlenpalastes betrachtet hatten. Wie würden sie erst ihre Augenbrauen in die Höhe ziehen und das Kinn entrüstet heben, würden sie mir jetzt begegnen, wo ich einem Ork doch entschieden ähnlicher sah als damals in meinen frisch gereinigten Klamotten.

Ihre mitleidigen Blicke, die dann über meine Gestalt wandern würden – einmal von oben nach unten und wieder zurück – und das Bedauern, mit dem sie danach ihre Köpfe schüttelten.

 

Und das Schlimmste daran: Jetzt würde ich auch noch verstehen, was sie sagten!

 

Wie Traumfiguren nahmen sie Gestalt vor meinem inneren Auge an.

Sieh nur! So jemandem hast du deine Tochter anvertraut! entrüstete sich eine Edeldame in dunkelgrünem Samt, und: Es ist unerhört! stimmte die zweite im Spitzenrüschenkleid ihr zeternd zu.

 

Die Herren – alle in goldbestickten Seidengewändern - mokierten sich darüber, wie Thranduil nur hatte einwilligen können, einer Menschenfrau Zuflucht im Waldelbenreich zu gewähren. Ja wahrhaftig! Die Valar allein wußten, was ihr König sich dabei gedacht hatte! Nein, bei meiner Ehre, widersprach ein anderer, manche Launen unseres Herrschers sind selbst den Mächten rätselhaft!

 

Ich schnaufte ergeben aus, verdrehte die Augen zur Decke und die Gespenster flohen aufgescheucht aus meinen Gedanken.

 

Zum Glück bekam ich von den Intrigen am Hof, die Radagast seinerzeit so verurteilt hatte, nicht viel mit. Aber ach... armer Galvorn. Ich mochte gar nicht daran denken, was er erdulden mußte, wenn er in seiner Eigenschaft als Heiler allzu oft herbeigerufen wurde. Weiß der Nazgûl über welche Wehwehchen sie sich ständig zu beklagen hatten, aber in den drei Tagen, die ich nun wieder mein Zimmer verlassen konnte, hatte man bereits zweimal nach ihm geschickt.

 

Nun, nach mir verlangte niemand. Eru sei Dank. Ich war nur ein lästiges Menschlein, das gut daran tat, sich unsichtbar zu machen, soweit dies möglich war, und darauf zu hoffen, in den sichtbaren Momenten ignoriert zu werden.

 

Noch einmal schielte ich um die Ecke.

 

Der Flur war leer und ich bereitete mich auf einen Sprint vor. Ich war noch nie besonders sportlich gewesen und vor allem schnelles Laufen lag mir gar nicht, aber dreißig Meter war eine durchaus akzeptable Distanz. Also holte ich noch einmal tief Luft und startete durch.

 

Halb und halb erwartete ich bereits, daß ausgerechnet jetzt jemand den behüteten Bereich verlassen würde, und war umso erleichterter, als nichts dergleichen geschah.

 

Aufatmend gestattete ich mir einen Augenblick an der Kreuzung zu verweilen und die beiden anderen Gänge entlangzublicken. Sie lagen im Halbdunkel, da die Sonne sich hinter eine dicke Schicht schneeträchtiger Wolken verzogen hatte und ich konnte wenig erkennen. Ich machte auf dem Absatz kehrt.

 

Kaum war ich weit gekommen, da hörte ich hinter mir ein leises, raschelndes Geräusch und fuhr herum.

„Celthor!“ keuchte ich. „Müßt ihr Elben euch immer so anschleichen?“

 

Der stille Elb sagte nichts. Nicht zu meiner Frage und nicht zu meiner Aufmachung. Aber er fächelte mit der flachen Hand den Gestank von seiner Nase fort und gab mir mit einem leidenden Seufzen zu verstehen, wie sehr auch er darunter litt.

 

Ungeachtet dessen ging ich die wenigen Schritte zu ihm zurück und sah neugierig auf die Bücher und Schriftrollen, die er sich unter den Arm geklemmt hatte, und mit denen er geradewegs aus der Bibliothek zu kommen schien. Celthor war nämlich der düsterwäldsche Erestor und ein guter Freund Galvorns, dessen Rezepte für Salben und Tinkturen er sorgfältig für die Nachwelt aufschrieb und katalogisierte.

 

„Willst du die Bücherei leerräumen?“ ulkte ich. Er war mir bereits vor einer Stunde mit einem ganz ähnlichen Stapel begegnet.

 

Celthor blickte mich fragend an. Er verstand meinen flachen Witz nicht. Für ihn war es das Selbstverständlichste auf der Welt, daß Bücher zum Lesen und nicht zum Herumliegen geschaffen waren und im Waldelbenpalast ging man dazu eben in den großen Gemeinschaftssaal, der viel sonnendurchfluteter und freundlicher war, als der muffige Abstellraum mit den langen vollgestopften Regalreihen, der nur wenig mit der herrlichen Bibliothek Bruchtals gemein hatte.

 

Der vierte Gang, welcher von dieser Kreuzung abging und der dem Gästetrakt gegenüberlag, führte zu den Stallungen und dem Haupttor. Von dort kam jetzt mit müden Schritten eine Gestalt herangeschlurft. Sie hielt den Kopf gesenkt, die Schultern gebeugt, die Kleidung war staubig und zerschlissen.

Kein Elb.

Eindeutig.

Als er näher kam, erkannte ich zu meiner großen Verwunderung Aragorn.

 

Er sah aus wie jemand, der wochenlang die Wildnis durchstreift und selten geschlafen hatte. Er wirkte erschöpft. Und er war schmutzig und verschwitzt. Die schulterlangen Haare hingen strähnig herab und einige klebten an seinen dunklen Bartstoppeln. Schwarze Ränder lagen um die tiefliegenden Augen. Auch er erkannte mich und lächelte müde.

 

Dann fiel sein Blick auf meine durchweichten Kleider und schmutzigen Hände und seine Braue zuckte in die Höhe.

 

„Sag jetzt nichts! Hörst du! Sag nichts! Du duftest auch nicht gerade nach Rosen!“ blaffte ich, bevor er irgend etwas sagen konnte.

 

Er stank tatsächlich fürchterlich!

 

„Ihr Menschen verwundert mich immer wieder! Gerade eben dachte ich noch ihr könntet unmöglich... menschlicher sein...“, stellte Celthor trocken fest und rümpfte angewidert die Nase.

 

„Hey!“ Mein Protest ging in Aragorns markantem Auflachen unter. Nun gut, es war wirklich nicht die beste Zeit die Reinlichkeit der Zweitgeboren zu diskutieren...

 

Aragorn schlug Celthor kameradschaftlich auf die Schulter. Aha, dachte ich, die beiden kennen sich.

 

„Ich muß zu König Thranduil“, entschuldigte sich der Waldläufer nach ein paar knappen Worten der Begrüßung. „Ich habe euch einen Gefangenen gebracht, über den ich ihn unterrichten muß. Der schleimige Kerl ist es auch, der für meinen derzeitigen Zustand verantwortlich ist.“ Er schüttelte sich. „Glaube mir, mein Freund, seinen Gestank konnte selbst ich kaum ertragen!“

 

Gollum! schoß es mir durch Kopf. Aragorn hat soeben Gollum in die Verliese gebracht!

 

Seine letzte Bemerkung veranlaßte mich, forschend zu Celthor zu sehen und ich bemerkte wie dieser nur mühsam seine Fassung wahrte. Er wirkte blaß, beinahe grau und leicht grünlich um die Nase. Ob Elben auch besser riechen konnten als Menschen?

 

Jedenfalls spürte er im Augenblick kein Verlangen danach unseren kleinen Plausch fortzuführen und trat, als Aragorn sich empfahl, den geordneten Rückzug an.

Ich befand mich alleine auf weiter Flur.

Oder besser gesagt im langen Gang.

Ich flüchtete mich schleunigst auf mein Zimmer.

 

In meiner Truhe würde ich etwas zum Anziehen finden, hatte Galvorn behauptet. Ich war mir ganz sicher, daß sich vor meiner Abreise vor sechs Wochen nichts als Luft darin befunden hatte und staunte nicht schlecht, als ich beim Öffnen des schweren Eichendeckels meine beiden liebsten Kleider aus Bruchtal entdeckte. Obenauf lag ein Brief. Von Liriel. Begeistert faltete ich ihn auseinander und las. >Ich dachte bei den geschmacklosen Gewändern unserer Verwandten aus dem Düsterwald könntest du etwas Vernünftiges zum Kleiden brauchen<, begann er. Ich kicherte vergnügt. Liriel, liebste Liriel, du weißt gar nicht, wie recht du hast!

 

~*~

 

 

zurück     weiter

 

 

Hauptseite

 

---