Hamfast der Abenteurer

 

 

 

Als ihr Weg sie höher in die Berge führte, mußten sie absteigen. Hamfast nahm seinem Pony das Zaumzeug ab und verstaute es im Rucksack. Bei der Gelegenheit fiel ihm ein leuchtend roter Apfel in die Hand, der irgendwie aus dem verschnürten Päckchen herausgerollt war. Ohne lange zu überlegen nahm Hamfast ihn heraus, rieb ihn nachlässig an seinem Hemd blank und biß lautstark hinein. Dann brach er ein Stück davon ab und reichte es seinem Pony. Bôr nahm es mit gönnerhafter Geste, kaute aber dann doch genüßlich und rieb seinen Kopf dankbar an der Schulter seines Herrchens. Das treue Tier genoß es offensichtlich, frei nebenher trotten zu können, statt Hamfasts zweifelhafte Reitkünste ertragen zu müssen.

 

Dieser blickte nun, da auch er sich freier bewegen konnte, an der langen Reihe der elbischen Krieger entlang. Ihm fiel auf, daß sie deutlich mehr Pferde mitgenommen hatten, als sie eigentlich benötigten. Neugierig sprach er Celeborn darauf an.

 

„Es sind die Tiere für Celebrimbors Abteilung, die auf ihrem Weg durch die Minen keine Pferde mitnehmen konnte. Sie werden sie brauchen, wenn wir jenseits der Hithaeglir wieder auf sie stoßen.“

 

Hamfast ließ die Antwort einige Minuten sacken. Dann wälzte er sie in seinen Gedanken hin und her. Schließlich kratzte er sich unterstützend erst hinter dem linken, dann dem rechten Ohr, zupfte an seiner Hutkrempe und schüttelte endlich mit verständnislosem Gesichtsausdruck den Kopf.

 

„Ich dachte, Ihr glaubt nicht daran, daß sie die Spur auf der anderen Seite des Gebirges finden?“

 

Celeborn hatte den kleinen Mann mit einem versteckten Schmunzeln beobachtet.

 

„Oh, ich bin davon überzeugt, das werden sie“, erklärte er ohne Herablassung.

 

Wieder schwieg Hamfast, aber diesmal nur kurz. Dann gab er ohne Umschweife zu: „Das verstehe ich nicht.“

 

„Zwar bin ich überzeugt, daß der Dieb nicht von dort in den Berg eingedrungen ist, aber dies bedeutet nicht, daß er nicht von dort kam und dorthin zurückgekehrt ist“, erläuterte der Elb. „Irgendwo jenseits des Gebirges ist er wieder hinabgestiegen. Doch will ich mir den Krater des Sees ansehen. Vielleicht finde ich dort einen Anhaltspunkt, mit wem wir es zu tun haben. Außerdem besteht die Möglichkeit, daß er es nicht vor dem Einsturz herausgeschafft hat.“

 

„Wieso denkt Ihr, daß er von jenseits und nicht diesseits des Gebirges gekommen ist?“

 

Celeborn runzelte die Stirn und blicktze gedankenverloren gen Osten.

 

„Alles Böse kommt von jenseits des Gebirges“, murmelte er mehr zu sich selbst. Dann huschte ein Lächeln über seine Züge und er sah Hamfast freundlich an. „Euch ausgenommen, selbstverständlich.“

 

Hamfast machte Celeborn eine bewußt übertriebene Verbeugung, unterstützt von einer wedelnden Bewegung seiner rechten Hand, als würde er einen Schwarm Mücken vor seiner Nase vertreiben wollen.

 

„Von welchem Bösen sprecht Ihr?“ wollte er dann wissen, und Celeborn wähnte sich für einen Moment zurückversetzt in jene Zeit vor vielen Jahren, als er die Freude aller Eltern geteilt, deren Kinder alle irgendwann das kleine Wort >warum< entdeckt hatten. Er lächelte in Erinnerung daran, wie Celebrian es fertig gebracht hatte, selbst die übergroße Geduld der Herrin von Eregion aufzubrauchen.

 

„Ihr lächelt, und gebärdet Euch nicht wie jemand, der über etwas Schreckliches nachdenkt“, stellte Hamfast fest und gluckste leise. „Es scheint eine heitere Erinnerung zu sein. Wollt Ihr mir nicht davon erzählen? Wißt Ihr, jeder Hobbit hört gerne eine lustige Geschichte“, fügte er erläuternd hinzu. Dann gräuselte er seine Stirn ein wenig und ergänzte sinnend: „Tut das nicht jeder? Das heißt, nur wenn es nichts zu Persönliches ist, selbstverständlich.“ Einen Moment kam ihm in den Sinn, daß es doch ein wenig dreist von ihm war, den Herren von Eregion um die Preisgabe eines seiner Erlebnisse zu bitten. Nein, nicht zu bitten, sondern ihn regelrecht dazu aufzufordern. Doch dann blickte er in die leicht amüsierten Augen des Elben und seine Lippen verzogen sich unwillkürlich zu einem breiten Grinsen. Celeborn mochte einer der ganz Edlen sein. Doch hier und jetzt und für ihn war er einfach sein guter Reisegefährte Mornedhel.

 

Um ehrlich zu sein, Celeborn war dankbar dafür, daß Hamfasts Gedanken sich einem unverfänglicheren Thema zugewandt hatten. Der kleine Kerl wußte nichts oder doch nur sehr wenig von den schrecklichen Geschicken Mittelerdes. Er war ein einfacher Mann, aufrecht und geradeheraus. Dabei von einer so herzerfrischenden Naivität, daß es dem Elben leid getan hätte, seinen Glauben an das Gute in der Welt zu zerstören oder auch nur leicht ins Wanken zu bringen.

 

Hamfast glaubte fest daran, daß sie es hier mit einem einfachen Dieb zu tun hatten. Jemandem, der in eine Schatzkammer eingebrochen war, um sich an deren Schätzen zu bereichern. Nun, dies mochte zu einem gewissen Punkt richtig sein. Doch Celeborn war sich sehr wohl bewußt, daß sie es hier mit etwas anderem, einer viel dunkleren Absicht zu tun hatten. Aber es war besser, Hamfast in seinem Glauben zu belassen.

 

Celeborn griff sich kurz mit der Hand an die Stirn, als würde ihm diese Geste dabei helfen, die düsteren Gedanken zu vertreiben.

 

Dann richtete der den Blick auf den kleinen Mann an seiner Seite, dessen Augen so erwartungsvoll und leuchtend zu ihm aufblickten, als würde er nicht einmal die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß die kleine Episode, die er zu hören erhoffte, nicht erzählt würde.

 

Doch wie erzählt man eine Geschichte, die eigentlich keine zusammenhängende solche ist, keinen Höhepunkt kein - eigentliches - Ende hat? Eine Geschichte, die sich beim Heranwachsen eines jeden Kindes entwickelt, und die es in jeder Familie der vernunftbegabten Geschöpfe Erus zu allen Zeiten zu erzählen gab, und die sich immerzu aufs Neue ereignen würde, solange Mittelerde bestand.

 

Er konnte die Augen Hamfasts auf sich ruhen fühlen und spürte seine freudig gespannte Erwartung. Durfte er sie enttäuschen?

 

„Habt Ihr Kinder, Herr Hamfast?“ fragte er, teilweise aus wirklichem Interesse, teilweise um ein wenig mehr Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.

 

„Nein.“ Die Antwort war für einen so redseligen Kerl sehr kurz. Hamfast blickte dabei auf den Boden vor seinen Füßen und klang bedauernd. Celeborn zog eine Augenbraue in die Höhe und betrachtete ihn nachdenklich. Er war noch jung. Vermutete er zumindest. Er wußte zu wenig über sein Volk, um dies wirklich einschätzen zu können.

 

Nach einer Weile des Schweigens kehrte das bekannte Leuchten in Hamfasts Augen zurück. „Aber ich möchte welche. Später einmal. Wenn... nunja...“ und ein wenig verschämt doch zugleich mit einem kecken Zwinkern fügte er hinzu „wenn ich den Mut finde, sie zu bitten, meine Frau zu werden.“

 

Celeborn lächelte verständnisvoll. „Ihr solltet nicht zu lange damit warten.“ Hamfast seufzte zustimmend.

 

„Habt Ihr Kinder, Herr Mor- Herr Celeborn?“

 

Celeborn schmunzelte. Da war er wieder, der pfiffige, stets gut gelaunte Kerl, den kein trüber Gedanke lange gefangen nehmen konnte. Er nickte. „Ihr Name ist Celebrían“, antwortete er bereitwillig. „Wißt Ihr, die Herrin von Lórien steht in dem Ruf, niemals ihre Selbstbeherrschung zu verlieren. Als Celebrían noch ein kleines Kind war, konnte sie sie mit ihrer bohrenden Fragerei jedoch geradezu in die Verzweiflung treiben.“ Zu spät bemerkte er, daß er damit indirekt auf Hamfasts Verhalten anspielte. Er suchte bereits in Gedanken nach einer angemessenen Entschuldigung, wurde aber vom herzhaften Lachen seines Weggefährten unterbrochen.

 

„Ihr müßt mich für sehr neugierig halten“, feixte er.

 

„Neugierig? Nein. Wißbegierig erscheint mir die treffendere Beschreibung Eures Wesens. Eine wundervolle Tugend, die...“

 

„... schnell in eine Untugend umschlagen kann, nicht wahr?“ unterbrach Hamfast ihn mit breitem Grinsen.

 

„Kinder lernen nur durch ihre Fragen Zusammenhänge kennen und verstehen“, verteidigte Celeborn seine Wortwahl.

 

„Aha! Dann bin ich für Euch also ein kleines Kind?“

 

„Ihr...“ Celeborn hob kapitulierend die Arme.

 

„Hat Euch schon einmal jemand gesagt, daß Ihr kein guter Diplomat seid?“ neckte Hamfast schamlos.

 

Celeborn nickte. Ja, das kam ihm nur allzu bekannt vor.

 

„Was war mit Euch?“ fragte Hamfast interessiert.

 

„Mit mir?“ Der Elb kräuselte desorientiert die Stirn. „Was soll mit mir gewesen sein?“

 

„Ich meine, habt Ihr Eure Nerven bewahrt? Damals?“

 

Jetzt dämmerte es ihm. „Bei den Elben ist es nicht die Pflicht des Vaters, sich um die Erziehung der Kinder zu kümmern“, erklärte er vage.

 

„Ihr habt Euch also um die Fragen gedrückt.“

 

„Wenn Ihr es so nennen wollt.“

 

Ihre Blicke trafen sich in einem verschwörerischen Schmunzeln. Dann lachten beide herzhaft auf. Die Elben in Hörweite bemühten sich, teilweise erfolglos, um einen respektvoll neutralen Gesichtsausdruck.

 

Unter solcherlei Geplauder waren sie immer höher hinauf in die Berge gestiegen. Es wurde steiler, unwegsamer. Sie folgten keinem bestimmten Pfad. Es gab keinen. Sie schlängelten sich um hervorragende Felsspitzen herum, manchmal die linke Hälfte ihrer Zweierreihe auf der einen, die andere auf der anderen Seite vorbei. Für die Pferde wurde es immer schwieriger, Halt zu finden, und als sie den Rand eines wahren Trümmermeeres erreichten, mußten sie sie zurücklassen.

 

Man mußte nicht ortskundig sein, um zu erkennen, daß diese Trümmer ursprünglich nicht hierher gehörten. Frische Bruchkanten an Felsen, aufgerissenes Erdreich - ja, selbst hier oben bestand der Berg nicht vollständig aus Gestein. Sie befanden sich in der Nähe des Passes und die eigentlichen Berghöhen ragten nördlich und südlich von ihnen empor.

 

Jetzt war das Vorwärtskommen eine richtige Plackerei. Manchmal mußte Hamfast die Hände zu Hilfe nehmen, wenn die Füße alleine nicht ausreichend festen Untergrund fanden, denn das Geröll lag locker und bewegte sich und rutschte, wenn man darüber klettern wollte.

 

Außerdem war Vorsicht geboten. Sie wußten nicht, was sie am Krater erwartete. Deshalb hatte Celeborn frühzeitig Späher vorausgesandt. Hamfast suchte das Trümmermeer mit den Blicken nach ihnen ab, konnte aber keinen von ihnen entdecken. Als er den Elbenfürsten darauf aufmerksam machte, erhielt er nur ein stummes, ernstes Nicken zur Antwort. Celeborn schien nicht beunruhigt. Vielleicht, weil er in mentalem Kontakt zu seinen Leuten stand, überlegte Hamfast. Er nahm an, daß der Elb sofort bemerken würde, wenn etwas mit ihnen nicht stimmte. Da jedoch, seit sie die Pferde unter Obhut einer Wache zurückgelassen hatten, niemand ein Wort sprach und alle sich besonders leise und heimlich benahmen, fragte Hamfast nicht danach.

 

Schon bald führte sie ihr beschwerlicher Weg über die Felsbrocken abwärts. Hamfast blieb stehen, um einen besseren Blick auf ihre Umgebung werfen zu können. Der Krater war nicht so tief und auch nicht so weitläufig wie er erwartet hatte. Der See war offenbar nicht besonders ausgedehnt und auch, wenn er ursprünglich sehr tief gewesen sein mochte, so war jetzt davon nichts mehr zu erkennen. Er war vollständig mit großen und kleineren Steinen bedeckt, und bis zu seiner ehemaligen Mitte senkte sich das Gelände nur wenig. Das kam dem Hobbit seltsam vor, besonders deshalb, weil doch auch ein Schacht hier hatte sein sollen, den die Trümmer ebenfalls hatten auffüllen müssen. Ganz zu Schweigen von dem Unheil, den der Einsturz im darunter liegenden Stollen angerichtet hatte.

 

In Gedanken versunken war er weiter gegangen und zuckte erschrocken zusammen, als Celeborn ihn plötzlich am Arm packte und einige Schritte mit sich zurückriß. Im nächsten Augenblick war ein lautes Poltern zu hören und vor ihm, gerade dort, wo Hamfast eben noch gestanden hatte, tat sich ein breites Loch auf. Kopfgroße Steine stürzten hinab und viel Geröll rutschte hinterher. Es krachte erst nach vielen Herzschlägen in großer Tiefe auf den von hier oben nicht erkennbaren Boden.

 

Jetzt begriff er: Der Schacht war nicht vollständig zugeschüttet, der Eingang war nur von ein paar querliegenden größeren Brocken verstopft gewesen. Tief atmete er durch und nickte dem Elben dankbar zu. Celeborn erwiderte seine Geste und bedeutete ihm stumm, ihm zu folgen.

 

Die Elben konnten wohl sehr gut einschätzen, wo sich das ursprüngliche Ufer des Sees befunden hatte, und sie vermieden es sorgsam, darüber hinaus zu gehen. Es war immerhin möglich, daß auch dort der Boden nur scheinbar vollständig verschüttet war, vermutete Hamfast und blieb dicht an Celeborns Seite.

 

„Habt Ihr einen Hinweis darauf gefunden, wer hinter dem Diebstahl steckt?“ fragte er nach einer Weile, hinter ihm hertapsend.

 

„Nein.“ Celeborn winkte einen seiner Leute zu sich. „Aber wir haben die Fährte gefunden, die aus dem Tal heraufkommt und wieder hinunterführt. Es war nur ein kleiner Trupp, was bedeutet, daß die Orks, die die Zwergenstadt überfallen haben, sich nicht bei ihnen befunden hatten.“

 

Der herbeigerufene Elb hatte Ähnlichkeit mit Celebrimbor. Die gleichen schwarzen Haare und die gleichen Augen mit diesem seltsam leuchtenden, beinahe stechenden Blick.

 

Gerade wollte Hamfast ihn nach seinem Verwandtschaftsgrad fragen, als Celeborn dem Ankömmling mit einem Neigen des Hauptes, so als wollte er andeuten, daß der Andere wisse, was zu tun sei, das Sternenglas reichte.

 

„Schließt Eure Augen!“ forderte er Hamfast dann wie beim ersten Mal, als er selbst das Licht Earendils gebraucht hatte, auf. Diesmal zögerte der Hobbit nicht, sondern schirmte gleich das ganze Gesicht mit beiden Händen ab. Trotzdem konnte er den gleißend hellen Strahl durch die Ritze seiner Finger und Augenlider sehen, als der Noldo die Phiole mit einer lauten Aufforderung erhob, von der Hamfast nur einen Namen, >Varda<, zu verstehen glaubte.

 

Gleich darauf begann der Boden unter seinen Füßen zu beben. Reflexartig riß er die schützenden Hände von seinem Gesicht, um in der näheren Umgebung nach Halt zu greifen. Dabei öffnete er auch seine Augen und wurde wiederum so stark geblendet, daß er nichts erkennen konnte. Doch das Beben nahm zu und wurde so stark, daß er sicher gestürzt wäre, hätte ihn nicht eine stützende Hand am Arm gepackt und aufrecht gehalten.

 

Hamfast hörte, wie Felsbrocken sich lösten. Erst kleinere, dann größere, und schließlich schien der ganze Berg in sich zusammenzubrechen. Der kleine Mann schnappte erschrocken nach Luft und atmete trockenen Staub ein, der sich wie ein Tuch über seine Zunge und den Gaumen legte und in seinen Hals eindrang. Er hustete heftig. Das half, aber nicht viel. Auch durch seine Nase drang der Staub, und er schimpfte Celeborn innerlich einen Dummkopf, weil er die Zerstörung des Schachtes - denn nur darum konnte es sich hier handeln - nicht befohlen hatte, nachdem sie sich ausreichend von der Stelle entfernt hatten. Dann bemerkte er, noch immer würgend und ohne etwas sehen zu können, daß außer ihm niemand hustete.

 

Doch vielleicht irrte er sich oder das laute Getöse überdeckte alle anderen Geräusche. Neugierig wagte er einen Blick durch die Ritze seiner Finger. Bei der großen Staubwolke war es ihm zuerst kaum möglich, überhaupt etwas auszumachen. Dann erkannte er aufrechte Gestalten, die sich etwas dunkler aus dem Nebel hervorhoben. Einige von ihnen standen ihm so nahe, daß er es sicherlich bemerkt hätte, hätten sie wie er vom Husten gezuckt. Niemand konnte husten und dabei so unbeweglich stehen. Voller Staunen beobachtete er sie, bis ihn der staubfeine Dreck zwang, seine Augen erneut zu schließen. Sie brannten, aber Hamfast war zu sehr damit beschäftigt, sich über die Erstgeborenen zu wundern, um ihnen weiter Beachtung zu schenken.

 

Endlich ließ der Steinschlag nach. Hamfast spürte eine Hand auf seiner Schulter und hörte Celeborn sagen: „Verzeiht.“ Nur dieses eine Wort. Eine weitere Erklärung war jedoch überflüssig.

 

Hamfast lächelte ein wenig mitgenommen und blinzelte mit tränenden Augen. Es dauerte eine Weile, bis er wieder deutlich sehen konnte.

 

Was er sah war so ziemlich, was er erwartet hatte: Da, wo zuvor große Felsbrocken den Boden des ehemaligen Dunklen Wassers verstopf hatten, war nun alles mit kieselsteingroßen Stückchen bedeckt. Das ursprüngliche Ufer war ebenfalls zertrümmert und mit hinabgestürzt. Sie standen vor einem Krater, der viele Fuß tief hinabreichte. Wollte jemals wieder jemand von dieser Seite in den Berg eindringen, so würde er den ganzen Durchmesser des verschütteten Sees ausgraben müssen, weil immer erneute Steinchen nachrollen würden. Es wäre wahrscheinlich einfacher, einen komplett neuen Schacht anzulegen.

 

Allmählich legte sich der Staub. Hamfast konnte jetzt wieder frei atmen und klopfte sich den Dreck von Jacke und Hose, ohne zu bemerken, daß auch sein Hut von einer feinen, hellgrauen Schicht geziert wurde. Als er damit fertig war, hob er seine Augen groß und treuherzig zu dem schlanken Elben an seiner Seite.

 

„Sind wir hier fertig?“ fragte er mit angeschlagener Stimme und ohne eine anders lautende Antwort zu erwarten. „Was sagt Ihr zu einem anständigen Mittagessen? Es ist schon weit über der Zeit. Wenn Eure Leute irgendwo etwas Feuerholz auftreiben könnten...“

 

Celeborn unterbrach ihn sanf aber bestimmt: „Dazu ist jetzt keine Zeit, Herr Hamfast. Ein kaltes Mahl muß genügen.“

 

Grummelnd ergab sich der Hobbit in sein Schicksal. Ließ sich gleich an Ort und Stelle nieder, weil hier sowieso jeder Platz gleich hart und staubig war und kramte in seinem Rucksack. Das frisch gebackene Brot und der verführerisch duftende Schinken fielen ihm in die Hände. „Oh!“ schnupperte er begeistert, brach sich ein Stück von ersterem ab und suchte, bereits kauend, nach seinem kleinen Messer.

 

Auch die Elben hatten sich, jeder da wo er stand, niedergelassen und labten sich an den mitgebrachten Vorräten. Während sie dies beinahe lautlos taten, durchbrach Hamfasts genüßliches Schmatzen die Stille. Der Hobbit war wieder ganz mit seinem Schicksal versöhnt.

 

 

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