Der Irrtum

 

 

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Ein Mensch will schreiben ein Gedicht

für eine Hochzeit; nicht zu schlicht.

Mit wenig Mut doch viel Elan

fängt dies Gedicht zu schreiben an

der Mensch. Er schildert darin nun,

wie man geheißen ihm zu tun,

wie sich zwei and’re Menschen trafen,

die heut’ anfahr’n der Ehe Hafen.

Er dichtet hier, er bessert dort,

er zieht die Wörter immerfort,

so lang, bis sie ins Versmaß passen,

das er hat ihnen zugelassen.

Ihm bleibt dazu nicht mehr viel Zeit,

zwei Tage nur, dann ist’s soweit.

 

Und endlich blicket ganz zufrieden

er auf sein kleines Werk. Hienieden,

es hat ein and’rer Mensch – ’s ist der,

der ihm hat diesen Auftrag schwer

am Tag zuvor erst angetragen -

den Einfall einmal nachzufragen,

wie sich der Fall in jenen Tagen

tatsächlich hatte zugetragen.

 

Und ach! Oh weh! Nun kommt’s heraus.

Das sah damals ganz anders aus.

Der Mensch muß nun betrübt einseh’n,

daß nichts wie im Gedicht gescheh’n.

Das ganze Werk ist für die Füße.

 

Drum spricht er nüchtern aus die Grüße,

die guten Wünsche für das Leben.

Es möge ihnen beiden geben

viel Freude, alles Wohl der Erden,

daß sie gemeinsam glücklich werden.

 

 

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© 21. Juni 2008