Ein Mensch, der weiß, daß er
vergeßlich
obwohl ansonsten recht
verläßlich,
doch nur wenn er - bevor’s
passiert -
es fein und säuberlich notiert,
hat dies getan und er denkt nun,
der Merker-Zettel würd’ es tun.
Schläft deshalb ruhig des nachts
im Bett,
schaut nur noch einmal hin zum
Brett,
worauf sein kleiner Zettel ist
und an das denkt, was er vergißt.
Doch es geschieht, ganz
(un)verhofft,
daß dieser Mensch danach nicht
oft
- denn er ist ja, wir sagten’s
schon
der tückischen Zerstreutheit Sohn
-
zum Platz, wohin er ihn gelegt,
den Zettel, er zu blicken pflegt.
Und im Gedächtnis ohne Brücke,
da klafft ihm eine große Lücke.
Obwohl der Zettel doch dort lag,
vergißt er jenen wicht’gen Tag.
Er kommt sich vor wie ein
Verräter,
als er’s bemerkt - Monate
später...
Im Jahr darauf, so schwört er
sich,
passiert mir wieder dieses nicht!
Er legt den Zettel an ’nen Ort
wo er ihn findet auch sofort,
es sicher jeden Tag geschieht,
daß er vorbeigeht und ihn sieht
und stetig und trotz aller Eile
er dort verharret eine Weile
ihn zu lesen und zu denken:
„Da mußt du etwas Schönes
schenken!“
Doch, ach, das herbe Schicksal
wollte,
daß er sich dabei fühlen sollte
nun viel zu sicher, denn er liest
jetzt Tag um Tag und er vergißt,
daß, was uns zur Gewohnheit
trieb,
selbst wenn es teuer erst und
lieb,
uns gerne schonmal fällt zur
Last,
besonders dann wenn man in Hast
und / oder gar bis über’s Ohr
in Arbeit steckt, auch das kommt
vor.
Der Mensch er wird nun
unvorsichtig,
liest bald die Nachricht nur noch
flüchtig,
bald gar nicht mehr und
irgendwann
legt er den Zettel nebenan.
Nicht ganz beiseite nur ums Eck,
wo er nicht ständig ihm im Weg,
er sieht ihn dort ja immer noch
und kennt die trauten Zeilen
doch!
Und irgendwie und ebendort
kommt jener kleine Zettel fort.
Er weiß nicht wie, doch es
geschah,
daß dieser Zettel nicht mehr da.
Und jener Tag, der glücklich
hohe,
der wundervolle, prächtig frohe,
an den doch unbedingt und
dringend,
ja, ganz bestimmt und
händeringend,
er denken wollte und noch mehr,
rückt unbarmherzig immer näher...
und dann vorbei, denn einmal mehr
da straft ihn sein Gedächtnis
schwer.
So trotz aller seiner Müh’n
hat den Tag er überseh’n!
Der Mensch beim Frühstück sitzt
und träumt
und denkt, noch nicht ganz
aufgeräumt,
wie schön’s jetzt wär noch in den
Kissen,
und nicht zur Arbeit heut zu
müssen.
Da trifft’s ihn wie ein
Donnerschlag:
Vorbei ist dieser wicht’ge Tag!
Der Tag, an den zu denken er
sich doch bemühte, ach so sehr!
Das darf nicht sein, das geht
nicht an!
Was habe ich da nur getan!
Nein, nicht was getan, sondern was nicht!
Ach ich dummer, kleiner Wicht!
Das ist nicht mehr nur noch peinlich,
selbst für einen, der nicht kleinlich...
Ach, das ist... wie soll ich
sagen,
es liegt mir ganz schwer im
Magen!
Der Mensch er fühlt sich ganz
elendig,
krank und nur noch halb lebendig.
Er weiß nicht, was soll tun und
sagen,
kann er überhaupt noch wagen,
sich zu nahen mit Verzagen
nach so vielen, vielen Tagen?
Er erinnert sich verschwommen,
daß die Ferien schon begonnen
und daß er nicht, wenn er will
beichten,
den andern Menschen kann
erreichen.
Schlimmer noch, denn jene Gabe,
mit der zu seiner Freud und Labe,
er den anderen wollt bedenken...
Ihm fällt nicht ein, was er soll
schenken!
’s hat sollen etwas Schönes sein,
persönlich, nützlich, nicht zu
klein!
Für diesen Menschen ganz
speziell,
besonders, einzig, or’ginell,
so wie der Mensch, für den
bestimmt
ist diese Gabe, und so nimmt
er voller Schwung und mit Elan
in Angriff den ehrgeiz’gen Plan.
Doch schon bald hat er entdeckt,
daß sein Ziel zu hoch gesteckt.
Es ist doch einfach gar nicht möglich,
daß ein Geschenk, ganz gleich wie
löblich,
diesen Menschen könnt erreichen.
Auch gibt es nicht
seinesgleichen!
Der Mensch denkt weiter nach und
dann,
fängt ein Gedicht zu schreiben
an.
Er schildert darin ungeschminkt,
obschon ihm die Versuchung winkt,
wie es gekommen zum Verhängnis
und er geraten in Bedrängnis.
Er äußert auch, wie leid’s ihm
tut,
wie sehr ihn quält, des Schames
Glut
um sein schäbiges Versagen.
Doch er weiß, jetzt hilft kein
Klagen.
Dann muß er ihm noch berichten,
dies Gedicht - es ist mitnichten
ein Kunstwerk oder Meisterstück,
kein Nektar und nicht wie Musik -
doch ist’s das einzig or’ginelle
- es fiel ihm ein nicht auf die
Schnelle -
das er ihm nun zu bieten hätte
wenn er ihm nur verzeihen täte,
daß er so unvergleichlich dämlich
und schusselig und achtlos
nämlich
und überhaupt genau genommen
leichtsinnig, fahrig sich
benommen.
Der Mensch, wenn er Vergebung
findet,
gleich hoch und heilig nun
verkündet,
daß dieses niemals mehr ihm
wieder...
Er stockt und senkt die Augen
nieder.
Der Mensch, dem grade
aufgegangen,
daß sein Versagen angefangen,
im letzten Jahr mit grad dem
Worte,
ja, diesem von der stolzen Sorte,
wird wieder demütig und klein
und schreibt ’nen neuen Zettel
fein.
© 05./06. Juli 2007